19. Januar 2020
Videonachbearbeiten wie Profis:
Die wichtigsten Schnitt- und Montagetechniken
Aus Einstellungen werden Szenen, aus Szenen Sequenzen und aus Sequenzen Filme. Schnitt- und Schrittweise. Wie genau? Erklären wir mit einem Blick hinter Hollywoods Kulissen: Wir erklären den Unterschied zwischen Montage und Schnitt sowie die Techniken dahinter.
Montagetechniken auf einen Blick
Die Montage gibt eine Erzählweise vor – für den gesamten Film oder Teile davon. Die wichtigsten stellen wir vor:
- Erzählende Montage: Eine Geschichte mit Auslassungen und Zeitsprüngen. Keine Echtzeit-Darstellung.
- Parallelmontage: Immer im Wechsel werden räumlich getrennte, aber inhaltlich verwobene Handlungen erzählt – etwa, wenn in einem Krimi die Person in Gefahr und ihr Retter immer wieder abwechselnd gezeigt werden.
- Rhythmische Montage: Wenige Schnitte erzeugen Entschleunigung, laden inhaltlich an Bedeutung auf. Langeweile-Gefahr! Kurze Schnitte steigern die Filmgeschwindigkeit, wirkt aber vielleicht oberflächlich. Folgt auf eine längere Schnittfolge eine kürzere, entsteht Spannung.
- Kausalmontage: Logisch aufeinander aufbauende Folge von Einstellungen, Szenen, Sequenzen. Keine Sprünge, linear verlaufende Geschichte.
- Kontrastmontage: Gegensätzliche Bildinhalte wechseln sich ab. Ein prominentes Beispiel: Der Höhepunkt des Filmklassikers "Der Pate". Szenen der Taufe von Michaels Kind wechseln sich ab mit der Ermordung hochrangiger Mafiamitglieder durch seine Handlanger. Beide Handlungsstränge kombiniert wirken stärker, als würden sie nacheinander gezeigt.
- Leitmotivmontage: Ein Bild, eine Einstellung oder Szene, die immer wieder auftaucht. Das Leitmotiv kann mit einem bestimmten Charakter, einem Ort, einer Idee, einer Melodie oder einem Ton verbunden werden. Im Film "Der weiße Hai" ist es die Tonfolge, die immer wieder mit dem Auftauchen des Raubfisches in Verbindung gebracht wird.
- Rückblendmontage: Die sonst lineare Filmhandlung wird von vergangenen Erlebnissen unterbrochen – etwa Erinnerungen ("Flashbacks").
Schnitt-Techniken im Überblick
Jede Montagetechnik bringt ihre Schnitt-Techniken mit. Jeder Schnitt verursacht immer einen Zeitsprung, einen Orts- oder Perspektivwechsel. Beim Schneiden dreht sich alles um die Frage, welche Ausschnitte aus dem Rohmaterial für den Film verwendet werden soll. Anfangs- und Endpunkt müssen für jede Einstellung separat bestimmt werden. Ist das geschehen, steht die Entscheidung an, wo die erste aufhört und die zweite anfängt – kurz: wie die Übergänge aussehen. Denn genau die erzeugen Zusammenhänge, Erwartungen, Spannung, Emotionen. Dabei hängt jede Einstellung mit der davor und danach zusammen: wie lang eine Einstellung idealerweise sein sollte, lässt sich nur beantworten, wenn die Länge der vorherigen und nachfolgenden Einstellungen bekannt ist. Diese Abstimmung der Längen zueinander erzeugt einen filmischen Rhythmus. Die wichtigsten Techniken dafür stellen wir vor:
- Continuity Editing: Eine Schnitttechnik, durch die der Einschnitt zwischen zwei Einstellungen oder gar zwei Szenen für den Zuschauer weitgehend unbemerkt wird. Der unsichtbare Schnitt ist natürlich nicht im wörtlichen Sinn unsichtbar, sondern er erzeugt beim Betrachter den Eindruck eines ununterbrochenen Geschehens.
- Bewegungsschnitt: Innerhalb einer Szene wird in der Regel immer in die Bewegung hineingeschnitten. Wenn ihr also beispielsweise eine Nah- und eine Groß-Einstellung gedreht habt, wie jemand ein Glas zum Mund führt und trinkt, so schneidet ihr den Bildwechsel mitten in der Bewegung, während der Arm gehoben wird. Während der Bewegung erkennt der Zuschauer bereits das Ziel der Bewegung und nimmt ihr Ende gleichsam vorweg. Der Zuschauer ist auf die Anschluss- Einstellung vorbereitet. Er erkennt den Handlungsbogen.
- Schnitt/Gegenschnitt: Eine der häufigsten eingesetzten, einfachsten und zugleich wirkungsvollsten Schnitt-Techniken. Beispiel: Jemand läuft den Gehweg entlang Richtung Haus und will eintreten. Er nähert sich der Haustür und schließt auf. Beim Eintreten wird geschnitten; als Gegenschnitt erscheint eine Innenaufnahme, wie derselbe Mann in einem Flur von innen die Haustür schließt, seinen Mantel auszieht und an den Garderobenhaken hängt. Wenn diese beiden Einstellungen aufeinander folgen, ergibt sich eine natürliche Handlungssequenz, bei der niemand daran zweifelt, dass der Flur, in dem der Mann den Mantel auszieht, genau derselbe Flur ist, der sich hinter der Haustür befindet, die der Mann in der Außenaufnahme aufgeschlossen hat.
- Kausal-Schnitt: Hierbei hängen die aneinander montierten Einstellungen ursächlich (= kausal) voneinander ab. Ohne die erste Einstellung wäre die zweite nicht zu verstehen. Beispiele: Ein Mann streitet sich und verlässt in der nächsten Einstellung türknallend das Zimmer.
- Parallel-Schnitt: Zwei Handlungen werden parallel gezeigt; zwischen den Handlungen wird hin und her geschnitten. Durch schrittweises Verkürzen der Szenen lässt sich dann Spannung auf einen Höhepunkt hin aufbauen. Stellt euch z. B. einen Flugzeugpassagier vor, der sich mit seinen Mitreisenden unterhält, und als zweiten Handlungsstrang eine Familie, die zum Flughafen fährt. Beide Sequenzen können ausgedehnt gezeigt und immer abwechselnd ineinander geschnitten werden.
- Assoziativ-Schnitt: Durch die Anordnung der Einstellungen kann beim Betrachter eine bestimmte Assoziation ausgelöst werden. Die assoziierte Aussage wird jedoch nicht direkt gesagt bzw. gezeigt. Beispiel: Ein Mann spielt Lotto und lässt sich in der nächsten Einstellung bei einem Autohändler teure Neuwagen vorführen.
- Ersatz-Schnitt: Ereignisse, die nicht dargestellt werden können oder sollen, werden durch bildliche Entsprechungen ersetzt. Beispiel: Ein Kind wird geboren, aber statt der schmerzhaften Geburt im Krankenhaus wird das Aufblühen einer Knospe gezeigt.
- Kontrast-Schnitt: Auffallend unterschiedliche Einstellungen werden per Kontrast- Schnitt zusammengeschnitten, etwa um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf einen Widerspruch zu lenken. Beispiel: Ein Tourist liegt am Strand, in der nächsten Einstellung werden Bettler gezeigt.
- Formal-Schnitt: Hierbei werden Einstellungen zusammengeschnitten, weil sie einen formalen Aspekt gemeinsam haben, z. B. gleiche Bildinhalte, Farben, Formen oder Bewegungen. Der berühmteste Formal-Schnitt dürfte die Anfangsszene von Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" sein, bei der ein Menschenaffe einen Knochen in die Luft wirft und im nächsten Schnitt ein Satellit in der Umlaufbahn dieselbe Bewegung nahtlos fortsetzt, obwohl vier Millionen Jahre vergangen sind.
- Akustische Klammer: Jemand sitzt am Tisch und liest am Abend in aller Stille ein Buch und plötzlich sind hektische Stimmen und klingelnde Telefone zu vernehmen. Und kurz bevor man sich fragt, was das denn alles zu bedeuten hat, gibt es einen Schnitt, und ihr seht eine ganz andere Szene, z. B. im Polizeipräsidium. Diese Schnitt-Technik nennt man „akustische Klammer". Sie lässt sich auch durch einen vorgezogenen Einsatz des Soundtracks erzeugen, indem also die Filmmusik bereits einsetzt, bevor die zu illustrierende Szene begonnen hat. Dabei werden Ton- und Bildspur versetzt geschnitten.
- Jump Cut: Zum Schluss sei noch eine Schnitttechnik erwähnt, die im Gegensatz zu allen bisher erwähnten Techniken als entgegengesetztes Ziel verfolgt, die Kontinuität des Filmgeschehens zu unterbrechen. Beispiel: Personenporträt mit sprunghaften Bildwechseln. Eine Figur springt von einer Einstellung zur nächsten an eine völlig andere Stelle im Raum.
Schnitt- und Montage-Prinzipien
Alle Schnitt- und Montage-Techniken folgen Grundregeln des filmischen Storytellings. Eine der wichtigsten: Die Handlungsachse oder 180-Grad-Regel. Sieht man im Film einen Menschen, der sich von links nach rechts durchs Bild bewegt und dann, in der nächsten Einstellung, plötzlich von rechts nach links, ist die Irritation groß: Niemand weiß, wo dieser Mensch hinwill. Genau das darf nicht passieren – diese Handlungsachse darf nicht übersprungen werden. Sie ist eine imaginäre Hilfslinie, die sich an der Handlung orientiert und den gezeigten Raum in zwei Hälften zerschneidet. Auf der Seite der Kamera ergibt sich ein Halbkreis, der einerseits durch die Kamera und andererseits durch das Filmgeschehen definiert wird. Wegen des 180-Grad-Winkels dieses Halbkreises, nennt man diese Regel auch "180-Grad-Regel". Es dürfen nur Einstellungen hintereinander geschnitten werden, die innerhalb dieses Halbkreises gemacht wurden.
Ein zweites, wichtiges Grundprinzip: Es sollte keine leeren Bilder geben. Ergo: Einstellungen sollten geschnitten werden, bevor die Darsteller aus dem Bild gegangen sind, die Szenerie also verlassen daliegt. Es sei denn, es gibt einen besonderen Grund. Bei Übergängen zwischen Szenen und Sequenzen kann ein leeres Szenenbild etwa angebracht sein, um den Spannungsbogen zu einem Ende zu führen. Aber innerhalb einer Szene sollten keine leeren Bilder vorkommen.
Ein drittes, ungeschriebenes Filmemacher-Gesetz betrifft die Form der Übergänge – also die Frage, ob sie eher sanft oder kurz und schmerzlos sein sollten. Ähnlich wie das Ende dieses Artikels: Kurz, knapp, schmerzlos. Überblendungen, Ab- oder Aufblenden, Effektblenden sind hauptsächlich für Fotoshows reserviert und nur in Ausnahmefällen im Film zu verwenden. Der Grund ist simpel: Sie lenken den Betrachter vom Filmgeschehen ab.